Mit diesem Artikel möchte ich dich in die Welt der Sprache entführen.
Sprache ist individuell und einzigartig.
„Sprache ist Schwingung pur. Die ganze Schöpfung ist Schwingung in unterschiedlicher Konsistenz. Wenn das Wort ganz am Anfang der Schöpfung steht, dann ist jedes Wort gleichsam eine Bestellkarte ans Universum. Kein Wort, das wir sagen, kommt leer wieder.
Jedes Wort hat eine Wirkung und schafft Wirklichkeit. Mein Wortschatz und die Themen, von denen ich spreche, haben eine direkte Auswirkung auf mein Leben.“
Mechthild Scheurl von Defersdorf
Das Wort ist die kleinste selbstständige Einheit einer Sprache. Jedes einzelne Wort hat eine dreidimensionale Wirkung. Es setzt sich zusammen aus:
1. der Ur-Bedeutung, also den Sinn des Wortes,
2. dem Begriff, den das Wort darstellt,
3. dem Bild, das das Wort erzeugt.
Die Sprache gibt den Menschen die Möglichkeit sich auszudrücken, ihre Gedanken und Gefühle wiederzugeben, Informationen auszutauschen oder gute Geschichten und Texte zu schreiben.
Durch die Sprache lernen wir den Mensch dahinter kennen, auch deren Kulturen und erfahren etwas über seine Persönlichkeit. Sprache formt die Menschen.
Der Ausdruck eines Textes kann mit dem Stil verändert werden, z. B. durch die Wortwahl und den Satzbau, um den Leser zu gewinnen, nachdenklich zu machen, zu manipulieren oder sogar zu beeinflussen.
Es gibt viele Möglichkeiten einen Text zu schreiben und die Wirkung ist immer eine andere.
Die Form des Stils reicht von der Lesbarkeit bis zu unendlich vielen Optionen wie Dialekten, Tempus, Perspektiven, Darstellung von Subgenre, aber auch spielerisch durch Buchstabensalat, bildhaft mit Vergleichen, Lautmalerei und vieles mehr.
Ich möchte dich einladen, diverse Stilübungen einmal auszuprobieren.
Dies dient zur Steigerung der Kreativität. Du kannst mit den Worten und dem Text sowie dem Inhalt der Erzählung spielen, aber auch Effekte ausprobieren und auf dich wirken lassen, Emotionen darstellen.
Stilübung nach Raymond Queneau
Notat:
Einkaufen auf dem Wochenmarkt vor dem Rathaus. Die letzten Strahlen der Herbstsonne scheinen auf den Asphalt. Ich schaue mich um. Ein junger Mann läuft über den Marktplatz und starrt die ganze Zeit auf sein Handy. Er rempelt eine Frau mit einem kleinen Kind an der Hand an.
Der Fischwagen ist noch nicht da, aber es bildet sich schon eine Schlange vor seinem üblichen Standort. Gemurmel in der Schlange. Wo bleibt er bloß? Steht er noch im Stau? Kommt er heute noch? Der Verkäufer vom Gemüsestand nennt den Fischverkäufer immer „Fischi“.
Später in der Bücherei sehe ich die Frau mit Kind. Sie sucht ein Bilderbuch für ihr Kind aus und murmelt: „Die jungen Leute heutzutage haben nur ihr Handy im Kopf. Es würde ihnen guttun, öfters mal ein Buch in die Hand zu nehmen.“
1. Lies das Notat durch und mache dich mit dem Text vertraut
2. Bearbeite den Text nach folgenden Prämissen:
a) Schreibe den Text so um, dass dieser möglichst viele Adjektive enthält.
b) Lass die Handlung der Geschichte in der Zukunft spielen. Setze alle Verben in die Zukunft also Futur I.
c) Schreibe die Geschichte so um, dass sie rückwärts erzählt wird.
Tipp:
Willst du die Veränderung vom Text spüren, dann lies nach jeder dieser Übungen deinen Text nochmal in Ruhe durch und lasse es auf dich wirken.
Mögliche Lösungen der Stilübungen findest du am Schluss dieses Artikels*.
Was man aus dem obigen Notat und somit Texten noch machen kann, zeige ich im folgenden Beispiel:
Das Anagramm
Faukenein auf dem Nemochtwark vor dem Tarhuas. Die zeltent Harlenst der Onnebersth neinesch auf den Haltasp. Ich uaesch mich um. Ein nugjer Namn täuflt über den Partklatzm und trarst die zange Ztie auf sein Nadhy. Er pemrelt eine Rauf mit nieme lienenk Dink an der Nahd an.
Der Schweifgan ist noch tinch da, erab es dilteb sich onsch iene Galschen vor niesem leichüb Rotsdant. Gerummel in der Galschen. Wo liebtb er ßlob? Hetst er noch im Uats? Tommk er tuete noch? Der Fäuverker vom Düsegemsant tenntn den Scheiffväuker merim „Chisif“.
Täpser in der Reichebü hese ich die Rauf mit Dink. Sie chuts ein Bleibdurch für ihr Dink aus und rummelt: „Die nugjer Tuele thuezugate nahbe nur ihr Nadhy im Pofk. Es dürwe nihne tnugtu, störfes mal ein Uchb in die Nadh zu menneh.
Tipp:
Dies macht noch mehr Spaß, wenn du dir das Anagramm laut vorliest.
Mehr solcher Lesevergnügen gibt es im Buch von Raymond Queneau „Stilübungen“ erschienen im Bibliothek Suhrkamp Verlag.
Noch was Spannendes:
Sochn gussewt?
Gmeäß enier Sduite an enier Elingshcen Unvireistät ist es eagl, in wlehcer Rienhelfoge die Bcuhtsbaen in eniem Wrot sethen, das enzig Wcihitge dbaei ist, dsas der estre und lzete Bcuhtsbae am rcihtgiten Paltz snid. Der Rset knan ttoaler Bölsdinn sien und du knasnt es torztedm onhe Porbemle lseen. Das ghet dseahlb, weil wir nchit Bcuhtsbae für Bcuhtsbae enizlen lseen snodren Wröter al Gnaezs. Smtmt’s? Unlguailbch, oedr?
*Mögliche Lösungen der Stilübungen
Möglichst viele Adjektive:
An einem verheißungsvollen Donnerstagnachmittag gehe ich auf den heiß begehrten Wochenmarkt, der vor dem kalt wirkenden betonartigen Rathausbau immer viele Leute anzieht. Die harten, grauen Asphaltplatten werden von den leuchtenden Strahlen der leicht wärmenden Herbstsonne beschienen. Um mich herum ist es unruhig. Ein pickliger junger Mann schlürft tollpatschig über den rechteckigen Marktplatz, sein starrer Blick ist auf sein aufleuchtendes Handy gerichtet, welches er in der linken Hand hält. Plötzlich stößt er mit einer schlanken Frau zusammen, die ein kleines Kind an ihrer zarten Hand festhält.
Wieder mal fehlt der große und lange Fischwagen mit den blauen Wellen als Aufdruck auf dem belebten Marktgelände. Seine wartende Kundschaft ist genervt. Jede Woche das gleiche nervtötende Dilemma. Der alte Gemüsehändler ruft von seinem bunt bestückten Gemüsestand zu den wartenden Personen in der megagroßen Schlange zu: „Der Fischi kommt wieder später. Er steht in einem unsäglich langen Stau.“
Eine ausgedehnte Stunde später sehe ich die blond gelockte Frau mit ihrem pausbäckigen Kind in der stickigen Bücherei. Hier ist es umtriebig und der Raum ist vollgestellt mit überfüllten Regalen. Sie hält ein buntes Bilderbuch fest in der rechten Hand und meint energisch in die Runde, dass die junge Generation doch auch mal ein spannendes Buch lesen solle und somit ihren geistigen Horizont größtmöglich erweitern könne.
Zukunft – Futur I
An einem Donnerstagnachmittag werde ich auf dem Wochenmarkt vor dem Rathaus in meiner Heimatstadt einkaufen gehen. Die Sonne wird scheinen und ihre letzten Strahlen werden auf dem Asphalt schimmern.
Mein Ritual wird sein, erst mal das Geschehen zu beobachten. Ich werde sehen, wie ein junger Mann über den Platz läuft. Er wird hypnotisiert auf sein Handy starren. Eine junge Frau mit einem Kind an der Hand wird von ihm angerempelt.
Wie fast jeden Donnerstag wird der Fischwagen auf sich warten lassen und es wird sich eine Schlange bilden vor seinem Stellplatz. Die Leute in der Schlange werden sich unterhalten. Unruhe wird sich verbreiten. Wie immer wird der Gemüseverkäufer die Leute darüber aufklären, dass der Fischverkäufer noch im Stau steht.
Einige Zeit wird vergehen, bis ich in der Bücherei die Frau mit dem Kind wiedersehe. Diese wird ein Bilderbuch für ihr Kind auswählen. Mit ernstem Blick wird sie feststellen, dass sich die jungen Erwachsenen heutzutage besser bilden könnten, wenn sie denn mal Bücher lesen würden.
Die Geschichte rückwärts erzählt
In der Bibliothek im Rathaus treffe ich eine Frau mit einem kleinen Kind. Sie schauen sich viele Bilderbücher an. Sie echauffiert sich darüber, dass die jungen Leute in der heutigen Zeit so wenig lesen würden.
Es ist ein sonniger Herbsttag.
Während ein junger Mann über den Marktplatz läuft und auf sein Handy starrt, rempelt er die Frau aus der Bücherei an. Das Kind an ihrer Hand streckt ihm die Zunge raus.
Auf dem Platz vor dem Rathaus ist heute Wochenmarkt.
Bis auf den Fischwagen sind alle Stände schon auf dem jeweiligen Standort platziert. Einige Kunden stellen sich in eine Schlange, dort wo der Fischverkäufer immer mit seinem Wagen steht. Ein Mann vom Gemüsestand ruft: „Der Fischi kommt heute wieder später, der steht wie immer im Stau.“
Auf diesem Wochenmarkt will ich heute Gemüse, Antipasti und Fisch einkaufen.